BirdBot, der von Vögeln inspirierte Roboter
Sehr energieeffizient – dank der Natur als Vorbild
Wenn ein Tyrannosaurus Rex vor 66 Millionen Jahren fast die gleiche Beinstruktur hatte wie ein Vogelstrauß, der heute im Zoogehege rumrennt, dann nehmen Wissenschaftler:innen an, dass sich diese Beinstruktur im Laufe der Evolution bewährt hat. Der Aufbau der Beine hat sich seit Millionen von Jahren zwar verändert, viele Bestandteile sind aber sehr ähnlich. Ein Gütesiegel der Natur.
Graziös, elegant, kraftvoll – Laufvögel wie der Strauß sind ein mechanisches Wunderwerk. Die teilweise über 100 kg schweren Tiere rennen mit bis zu 55 km/h durch die Savanne. Diese Höchstleistung ist der Beinstruktur zu verdanken, so die Vermutung. Anders als Menschen klappen Vögel den Fuß nach hinten zurück, während sie das Bein zum Körper hochziehen. Warum machen das die Tiere, wieso ist diese Fußbewegung beim Gehen und Rennen energieeffizient, und wie lässt sich der Aufbau der Vogelbeine mit all seinen Knochen, Muskeln und Sehnen auf Laufroboter übertragen?
Mehr als fünf Jahre hat Alexander Badri-Spröwitz sich diesen Fragen gewidmet. Am Max-Planck-Institut für Intelligente Systeme leitet er die Forschungsgruppe Dynamische Lokomotion. Die Gruppe arbeitet an der Schnittstelle zwischen Biologie und Robotik im Bereich der Biomechanik und Neurokontrolle. Die dynamische Fortbewegung von Tieren und Robotern steht hier im Fokus.
Zusammen mit seinem Doktorand Alborz Aghamaleki Sarvestani hat Badri-Spröwitz ein Roboterbein konstruiert, das wie sein natürliches Vorbild sehr energieeffizient ist: BirdBot braucht weniger Motoren als andere Maschinen und könnte theoretisch riesig groß gebaut werden. Am 16. März publizierten Badri-Spröwitz, Aghamaleki Sarvestani, der Robotiker und Direktor am MPI-IS Metin Sitti sowie Monica A. Daley, Professorin für Biologie an der University of California, Irvine, ihre Forschungsarbeit im renommierten Fachjournal Science Robotics.
Seilzug aus Muskeln und Sehnen
Menschen ziehen beim Gehen den Fuß hoch und beugen das Knie, der Fuß und die Zehen aber zeigen nahezu unverändert nach vorne. Bei Vögeln ist es anders. In der Schwungphase klappen Vögel die Füße nach hinten weg. Badri-Spröwitz und sein Team führen diese Bewegung auf eine mechanische Kopplung zurück. „Es ist nicht das Nervensystem, es sind keine elektrischen Impulse, es ist keine Muskelaktivität“, vermutet Badri-Spröwitz. „Wir sehen, dass das Netzwerk aus Muskeln und Sehnen, welches sich über mehrere Gelenke hinweg erstreckt, diese Kopplung ermöglicht. Diese mehr-gelenkigen Muskel-Sehnen-Seilzüge bedingen das Einklappen des Fußes in der Schwungphase. Bei unserem Roboter haben wir die gekoppelte Mechanik im Bein und Fuß implementiert und gezeigt, dass ein Roboter damit sehr energieeffizient und robust laufen kann. Das lässt uns vermuten, dass der Muskel-Sehnen-Seilzug für echte Vögel ähnliche Effizienzvorteile bietet.“
Die Kopplung der Bein- und Fußgelenke sowie die dabei wirkenden Kräfte könnten der Grund sein, warum ein riesiges Tier wie ein Vogelstrauß nicht nur sehr schnell rennen, sondern auch mühelos stehen kann, mutmaßten die Forschenden. Ein Mensch von über 100 kg kann zwar auch gut und lange stehen, aber nur bei durchgestreckten Knien. Würde die Person leicht in die Hocke gehen, wäre es nach ein paar Minuten vorbei. Dem Vogel jedoch macht seine geknickte Beinstruktur scheinbar nichts aus; manche Vögel können sogar im Stehen schlafen. Bei einem Roboter-Vogelbein sollte das ebenfalls funktionieren: es sollte keine Motorenleistung notwendig sein, um die Konstruktion aufrecht zu halten.
Roboterbein geht auf dem Laufband
Um ihre Annahme zu überprüfen, bauten die Forscher ein Bein, das einem Laufvogel nachempfunden ist. Sie konstruierten ihr Roboter-Vogelbein so, dass der Fuß keinen Motor, sondern nur ein mit einem Feder-Seilzug ausgestattetes Gelenk hat. Der Fuß ist also über Seilzüge aus Sehnen und Rollen mechanisch mit den restlichen Beingelenken gekoppelt. Jedes Roboterbein ist mit nur zwei Motoren ausgestattet: Ein Motor am Hüftgelenk sorgt dafür, dass das Gelenk vor und zurück schwingt und das Bein auf diese Art vor und zurück bewegt. Ein weiterer Motor am Kniegelenk kann das Knie beugen und hochziehen. Fertig gebaut, ließen die Forschenden BirdBot auf einem Laufband gehen um zu sehen, wie der Fuß des Roboters beim Gehen ein- und ausklappt. „Die Fuß- und Beingelenke kommen in der Standphase ohne Motoren aus,“ sagt Aghamaleki Sarvestani. „Die Kraft kommt hier aus der Feder, und die Koordination aus dem mehrgelenkigen Seilzugmechanismus. Beim Bein-Anziehen in der Schwungphase schaltet der Fuß dann die Beinfeder – den Muskel – weg“, fügt Badri-Spröwitz hinzu. Ein Video zeigt das laufende Roboter-Vogelbeine im Labor der Forschungsgruppe.
Null Kraftaufwand beim Stehen und beim Bein-Anziehen
Im Stand sieht man, wie das Bein null Energie aufwendet und trotzdem unerschütterlich dasteht. „Früher mussten unsere Roboter entweder beim Stehen oder beim Bein-Anziehen gegen die Feder oder mit einem Motor arbeiten, um das Bein in der Schwungphase nicht mit dem Boden zu kollidieren. Dieser Energieeintrag ist bei BirdBot jetzt nicht mehr notwendig“, sagt Badri-Spröwitz und Aghamaleki Sarvestani fügt hinzu: „Insgesamt ist damit nur ein Viertel der Energie notwendig im Vergleich zu vorhergehenden Laufrobotern.“
Laufband wieder an, der Roboter läuft los, und mit jedem Beinschwung schaltet der Fuß die Beinfeder aus. Der Fuß entkoppelt den Seilzug und das Bein schwingt lose. Dieses Schalten zwischen Stehen und Gehen wird bei den meisten Robotern durch einen Motor am Gelenk gewährleistet. Ein Sensor sendet ein Signal an die Steuerung, die den Motor an- und ausschaltet. „Bisher mussten die Motoren sich ein- und abschalten, je nachdem, ob das Bein in der Schwung- oder Standphase war. Jetzt aber macht der Fuß das für die Laufmaschine. Wir brauchen nur noch einen Motor am Hüftgelenk und einen zum Knie-Beugen in der Schwungphase, den Rest macht das Bein allein. Das Ein- und Auskuppeln der Beinfedern überlassen wir der von Vögeln inspirierten Mechanik. Das ist robust, schnell und energieeffizient“, sagt Badri-Spröwitz.
Dr. Daley stellte in mehreren früheren Studien fest, dass der Aufbau eines Vogelbeines nicht nur Energie spart beim Laufen und Stehen, er ist auch so von der Natur angepasst, dass das Tier kaum stolpert und sich verletzt. In Experimenten mit Perlhühnern, die über zugedeckte Schlaglöcher laufen, konnte sie die bemerkenswerte Robustheit der Vögel bei ihrer Fortbewegung quantifizieren. Eine morphologische Intelligenz ist in das System eingebaut, die das Tier schnell agieren lässt – ohne darüber nachdenken zu müssen. Daley und ihre Kollegen haben gezeigt, dass die Tiere ihre Beine bei der Fortbewegung nicht nur mithilfe des Nervensystems steuern. Liegt unerwartet ein Hindernis im Weg, ist es nicht immer der Tast- oder Sehsinn des Tieres, der zum Einsatz kommt.
„Der Aufbau mit mehr-gelenkigen Muskeln und Sehnen und die spezielle Fußbewegung kann erklären, warum sogar schwere, große Laufvögel so schnell, robust, und energieeffizient laufen. Wenn ich davon ausgehe, dass beim Umschalten im Vogel alles auf Sensorik basiert, und es mal eine Stolperstelle gibt, könnte es passieren, dass das Tier nicht schnell genug reagieren kann. Die Sensorik, die Reizweiterleitung, und das Reagieren kosten Zeit“, sagt Daley.
Daleys 20-jährige Arbeit an laufenden Vögeln zeigt, dass Vögel schneller reagieren, als es das Nervensystem zulässt, was darauf hinweist, dass die Mechanik hier einen wesentlichen Beitrag leistet. Jetzt, da das Team BirdBot gebaut hat, ein physikalisches Modell, das direkt zeigt, wie diese Mechanismen funktionieren, macht alles mehr Sinn: das Bein kann mechanisch bei einer Bodenunebenheit umschalten. Das funktioniert sofort, ohne Zeitverzögerung. Wie Vögel zeichnet sich auch der Roboter durch eine hohe Robustheit bei der Fortbewegung aus.
Ob im Maßstab eines Tyrannosaurus Rex oder einer kleinen Wachtel – es ist egal, ob es sich um ein kleines oder ein riesiges Roboterbein handelt. Theoretisch können jetzt meterhohe Beine für Tonnen-schwere Roboter gebaut werden, die mit wenig Leistungsaufwand herumlaufen.
Wie immer führen die in der Gruppe Dynamischen Lokomotion gewonnenen Erkenntnisse über Roboter zu Erkenntnissen über die von der Evolution angepassten Tiere und vice versa. Ein Wechselspiel, das Hypothesen testet und manchmal bestätigt, und dabei sowohl das Forschungsfeld der Robotik als auch der Biologie voranbringt.