Im Dialog über KI
Public-Engagement-Managerin Rebecca Beiter im Porträt
Der Artikel erschien in März-Ausgabe 2022 von forschung leben, dem Magazin der Universität Stuttgart.
Text: Jens Eber
Wird künstliche Intelligenz (KI) bald unser Leben bestimmen? Oder wird die Technologie den Menschen vor allem nützen? Sicher ist für Rebecca Beiter jedenfalls: „Künstliche Intelligenz ruft in der Bevölkerung starke Emotionen hervor.“ Die 27-Jährige ist Public-Engagement-Managerin in Cyber Valley, Europas größtem Forschungskonsortium im Bereich KI. Gründungspartner waren die Universitäten Stuttgart und Tübingen sowie weitere Forschungseinrichtungen, das Land Baden-Württemberg, aber auch Unternehmen wie Daimler, Bosch oder Amazon.
Rebecca Beiter ist für das Public Engagement in der Region Stuttgart zuständig, ihr Kollege Patrick Klügel arbeitet von der Uni Tübingen aus daran, eine Brücke zwischen Wissenschaft und Bevölkerung zu bauen. Ihre Aufgabe ist es nicht, ein positives KI-Image zu vermitteln, sondern Gesellschaft und Forschung in einen Dialog über diese Technologie zu bringen. Am Ende sollen beide Seiten voneinander lernen können.
„Unser Ziel ist ein langfristiges Netzwerk“, sagt Beiter. Darin soll einerseits die Forschung über Entwicklungen in der KI informieren. Die Bevölkerung erhält aber auch Raum, um Meinungen, Sorgen und Hoffnungen in die Wissenschaft zu tragen. Auf internationaler Ebene gibt es vergleichbare Stellen schon etwas länger, in Deutschland gehören Beiter und Klügel zu den Ersten, die sich als Public-Engagement-Manager:innen professionell mit dem Dialog zwischen Forschung und Bevölkerung befassen.
Realistisches Bild über KI vermitteln
Dass diese Pionierarbeit mit Fokus auf künstlicher Intelligenz erfolgt, hat gute Gründe: „Es existiert Unsicherheit in der Bevölkerung in Bezug auf KI“, bestätigt Beiter. Eine Befürchtung sei, dass die Technologie einzelne Berufe überflüssig machen könnte. Es gebe aber auch unrealistische, geradezu utopische Hoffnungen. „Ich halte es für wichtig, realistische Narrative zu vermitteln“, sagt die Public Engagement-Managerin. Als Beispiel nennt sie die Wissenschaftlerin Annika Liebgott, die am Institut für Signalverarbeitung und Systemtheorie der Universität Stuttgart an der automatischen Erkennung von Bewegungsunschärfen auf MRT-Aufnahmen forscht. Diese Entwicklung soll dazu beitragen, dass verwackelte MRT-Bilder unmittelbar erkannt und neu erstellt werden können. „Das ist eine Anwendung, die Ressourcen und Patienten schont, aber es dauert sehr lange, die KI dafür zu entwickeln“, sagt Beiter und fügt hinzu: „Wenn man das sieht, weiß man: KI kann viel, aber sie ist längst nicht das, was viele Menschen von ihr halten.“ Überall dort, wo jedoch in großen Datenmengen Strukturen erkannt werden müssten, könne KI wertvolle Unterstützung leisten.
Podcast und KI-Sprechstunde
Die Public-Engagement-Strategie, die Beiter und Klügel für Cyber Valley entwickeln, hat bereits eine Reihe interessanter Bausteine hervorgebracht, die Wissenschaft und Gesellschaft zusammenbringen können. Da ist etwa der Podcast „Direktdurchwahl“, in dem Forschende mit Bürger:innen über konkrete KI-Forschungsprojekte und deren Herausforderungen sprechen. Auf wachsendes Interesse stößt auch die KI-Sprechstunde, in der sich Interessierte mit ihren Fragen an die Forschung wenden können. Für 2022 plant Rebecca Beiter einen Kurzgeschichtenwettbewerb. Schüler:innen sollen dabei ihre Gedanken zum Thema KI aufschreiben, in Folgeveranstaltungen können Forschende dann Bezug auf die Storys nehmen.
Im Mittelpunkt der Arbeit von Rebecca Beiter und Patrick Klügel steht ein Berufskodex für Public-Engagement-Manager:innen, den sie aktuell erstellen. „Wir wollen den Dialog mit der Gesellschaft stärken“, erklärt Beiter. „Daher wollen wir eine Wertebasis schaffen, auf deren Grundlage das geschehen kann“, fügt die ausgebildete Unternehmenskommunikatorin hinzu.
Zu diesem Kodex soll beispielsweise ein sogenanntes Kontroversitätsgebot gehören. „Das heißt, dass wir Themen, die in der Wissenschaft kontrovers sind, auch kontrovers darstellen“, sagt Beiter. Auch ein Überwältigungsverbot soll zu den Grundwerten des Public Engagement gehören. Ziel sei, der Bevölkerung keine Ansichten vorzugeben, sondern alle für die Meinungsbildung wichtigen Informationen zu liefern. Den Kodex wollen sie so weit fassen, dass er für die Wissenschaftskommunikation außerhalb des Themenkomplexes KI anwendbar wird. Zugleich wollen sie den Gedanken des Public Engagement in andere Hochschulen hineintragen.
forschung leben
Das Magazin der Universität Stuttgart
Spannende Themen, sprechende Bilder, renommierte Gastautoren: Das Magazin forschung leben greift Fragestellungen und Probleme aus der Gesellschaft auf. In journalistischen Beiträgen zeigt es Lösungsansätze aus dem vielfältigen Forschungsspektrum der Universität Stuttgart.