Mit Deep Learning zu besseren Gehirnmodellen
ERC Consolidator Grant für Tübinger KI-Forscher Professor Jakob Macke
Das Gehirn der Drosophila, die in der Biologie eine der bekanntesten Modellorganismen darstellt, ist aus mehreren Gründen für Forschende aus Neurowissenschaften und Informatik interessant. „Fruchtfliegen haben im Vergleich zu Säugetieren nur winzige Gehirne“, erklärt Macke: „Dennoch verfügen diese Tiere über erstaunliche Fähigkeiten, wie eine hochpräzise Kontrolle ihres Fluges. Sie können sich an Landmarken orientieren und reagieren blitzschnell, wenn sich Fressfeinde nähern.“ Trotz großer Leistungsfähigkeit verbrauche das Gehirn der Drosophila lediglich Energie im Nanowattbereich, sei also deutlich energieeffizienter als jeder Computer.
Der biologischen Forschung sei es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, das Gehirn der Fruchtfliege in großer Detailtiefe zu analysieren. „Damit haben wir nun Zugang zu den Schaltkreisen des Gehirns, aber konnten bisher trotzdem keine Modelle bauen, die ähnliche Aufgaben wie echte Drosophila-Gehirne übernehmen können.“ Im Gegensatz dazu sei es in den vergangenen Jahren mit den Methoden des Deep Learning gelungen, künstliche neuronale Netze zu schaffen, die sehr komplizierte Berechnungen durchführen könnten. Die künstlichen neuronalen Netze hätten sich aber von ihrem Aufbau und ihrer Funktionsweise her inzwischen weit von denen biologischer neuronaler Netze entfernt.
„Diese beiden Welten wollen wir wieder zusammenbringen“, erklärte der KI-Forscher: „Unser Ziel ist es nun, künstliche neuronale Netze zu schaffen, die in Aufbau und Struktur dem Gehirn der Fruchtfliege möglichst nahekommen, zugleich aber ähnliche Leistungen vollbringen können.“ Dazu seien neuartige Methoden des Maschinellen Lernens notwendig, welche in dem Projekt in enger Zusammenarbeit mit Srinivas Turaga vom Janelia Research Campus in Ashburn, Virginia und weiteren Forschenden entwickelt und angewendet werden sollen. Solche Methoden können auch für die neurowissenschaftliche Erforschung von Lebewesen mit komplexeren Gehirnen, wie beispielsweise Fischen oder Säugern eingesetzt werden.
Zur Person
Dr. Jakob Macke (geb. 1982) wurde zum Sommersemester 2020 auf die Professur für Maschinelles Lernen in der Wissenschaft an der Mathematisch-Naturwissenschaftlichen Fakultät der Universität Tübingen berufen. Diese Professur wurde im Exzellenzcluster „Maschinelles Lernen – Neue Perspektiven für die Wissenschaften“ eingerichtet. Macke ist außerdem Mitglied des von der Bundesregierung geförderten Tübingen AI Center, und ist Sprecher des „Bernstein Center for Computational Neuroscience Tübingen“.